… oder darf ich einfach KT sagen? Ich weiß, nur Freunde nennen Sie KT, und ich bin bestimmt keiner Ihrer Freunde. Ich habe noch nicht einmal den „Gefällt mir“-Button einer Ihrer zahlreichen Facebook-Fanseiten gedrückt. Ich bin nur ein Wähler, der sich den Luxus einer eigenen Meinung über einen seiner Angestellten leistet. Denn das sind Sie. Einer meiner Angestellten. Oder besser gesagt, Sie waren es.
Eigentlich wurde bereits genug gesagt und geschrieben über Sie und Ihre Auffassung von wissenschaftlicher Arbeit. Und auf einen toten Gaul soll man bekanntlich auch nicht mehr unnötig einprügeln. Aber Sie sind nicht tot, und Sie werden schnell wieder auftauchen, da bin ich mir sicher. Hallen doch schon jetzt unüberhörbar die Rufe Ihrer verzweifelten Fans nach Wiederkehr durch die Medien. Was fasziniert Ihre Anhänger eigentlich so über die Maßen an Ihnen, dem zwar nicht verurteilten aber dennoch überführten Betrüger, dass sie Ihnen in Scharen nachlaufen und Sie geradezu messianisch anbeten?
Wohl weil Sie es vermögen, uns, den Wählern, den Eindruck zu vermitteln, endlich einer zu sein, der die Dinge anpackt, der sagt, wo es langgeht und sich durchzusetzen weiß, der den Finger am Nerv der Republik hat und weiß, was Volkes Seele begehrt. So geschehen zum Beispiel in Ihrer Zeit als Bundeswirtschaftsminister, als Sie sich in der Frage der Staatshilfen für General Motors, des Mutterkonzerns der angeschlagenen Opel-Tochter, so tapfer gegen eine Beteiligung mit deutschen Steuergeldern aussprachen. So im Fall des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr, als Sie als gerade frisch gekürter Verteidigungsminister als erster das böse Wort Krieg in den Mund nahmen und damit endlich aussprachen, worum sich so viele vor Ihnen herumgedrückt hatten. So im Fall des Obersts Klein, der bei dem als Kunduz-Affäre bekannt gewordenen Bundeswehreinsatz den Angriff auf die mutmaßlich von Taliban erbeuteten Tanklastwagen befehligt hatte, und den Sie instinktsicher als verantwortlich ausgemacht und aus dem Verkehr gezogen hatten. Oder auch bei der Suspendierung des Kommandanten der Gorch Fock, Norbert Schatz, nachdem Zügellosigkeit unter der Besatzung und Übergriffe gegen weibliche Kadetten ruchbar geworden waren. Und schließlich bei der Aussetzung der Wehrpflicht, die schon seit Jahren diskutiert, aber nie von tatkräftiger Hand durchgesetzt worden war.
Stets begleitet wurde jede der genannten Maßnahmen von Ihren perfekten medienwirksamen Auftritten, von Ihren geschliffenen, in die aufgeschlagenen Notizblöcke der fiebrig sabbernd an Ihren Lippen klebenden Journalisten diktierten Sätzen, und von glamourösen Bildern. Doch was steckt dahinter, wenn man den Mantel des staatstragend inszenierten Glamours einmal beiseiteschlägt? Wirklich die große Kompetenz und Durchsetzungsstärke wie Ihre Fans mal vermuten, mal behaupten? Der Eindruck, der sich bei mir verfestigt hat, ist ein anderer.
Ihr Vorgehen, sehr geehrter KT, folgt stets dem gleichen Muster: Zunächst einmal wird behutsames Vorgehen angemahnt, abgewartet, herumlaviert, sorgfältige Untersuchungen angekündigt, um dann, vordergründig kompetent, in Wahrheit aber lediglich bauernschlau, genau diejenige Entscheidung zu proklamieren, die mittlerweile als die beim Wahlvolk am besten ankommende identifiziert wurde.
So haben Sie dem unglücklichen Oberst Klein in Kunduz zunächst besonnenes und ermessensfehlerfreies Handels attestiert, um ihn dann fallen zu lassen, nachdem die NATO protestiert hatte und auch offenbar wurde, dass der Angriff auf die Tanklastwagen, bei dem viele afghanische Zivilisten umgekommen waren, in der deutschen Öffentlichkeit sehr kritisch gesehen wurde. Im Fall der Gorch-Fock-Affäre haben Sie im Bundestag zunächst eine maßvolle Untersuchung der bekannt gewordenen Anschuldigungen angekündigt, um am nächsten Tag den Kommandanten Norbert Schatz zu suspendieren, als der Boulevard einen Kopf forderte.
Die populäre Aussetzung der Wehrpflicht öffentlichtswirksam zu verlautbaren, war für Sie ein leichtes, sie mit einer vernünftigen Bundeswehrreform zu unterfüttern, ist Ihnen offenbar erheblich schwerer gefallen. Die erste Maßnahme Ihres Nachfolgers, des neuen Verteidigungsministers Thomas de Maiziere war es, Ihren Staatssekretär zu feuern und mit einer Untersuchung des Sachstandes bei der Bundeswehrreform zu beginnen, weil der Reform das Konzept fehlt und zum ersten Einberufungstermin der freiwillig Wehrdienstleistenden nur 10% des benötigten Personals bereitstehen.
Die Rehabilitierung des von Ihnen vorschnell suspendierten Gorch-Fock-Kommandanten Norbert Schatz dürfte währenddessen nur eine Frage der Zeit sein. Dass auch Oberst Klein nur ein Bauernopfer war, um den NATO-Befehlshabern dienstbar zu sein und an der deutschen Heimatfront nicht die Unterstützung der Öffentlichkeit für den ganzen Bundeswehreinsatz zu gefährden, liegt ebenfalls auf der Hand. Und im Fall der General-Motors-Staatshilfen haben Sie letztlich nur nachgeplappert, was jeder Börsenpraktikant auf dem Frankfurter Parkett als Binsenweisheit wusste, genauso wie bei der Proklamierung des Afghanistan-Einsatzes als kriegsähnlichen Einsatz.
Tja, und so beruht nach meinem Dafürhalten Ihr politisches Wirken genau wie Ihre Doktorarbeit im Wesentlichen auf Blendwerk, was mich zurück an den Anfang meines Briefes bringt: Sie vermitteln den Eindruck von Kompetenz. Nichts weiter. Ich bezahle meine Angestellten aber nicht dafür, dass sie mir einen guten Eindruck vermitteln, sondern für ihre Arbeit. Und da haben Sie, so leid mir die Feststellung auch tun sollte, bei Licht betrachtet nie einen Nachweis dafür erbracht, dass Sie Ihren strahlenden Ruf zurecht genießen. Sie hinterlassen bei mir vielmehr den Eindruck eines Ministerdarstellers, eines Poseurs. Sie haben mit wenig Aufwand viel erreicht, was nicht ganz zufällig genau zu Ihrem Vorgehen bei der Erschleichung Ihres Doktorgrades und zu Ihrer übrigen Vita passt, die in diversen Publikationen nachzulesen ist.
Die Tatsache, dass Sie es dennoch schaffen, die Gesellschaft in Befürworter und Gegner zu spalten und so viele „Fans“ hinter sich zu scharen ist irritierend. Sie dürfte auf Ihrem einzig unbestreitbaren Talent beruhen, Menschen mit vordergründigen Parolen für sich einzunehmen und die Stammtische zu bedienen. Es ist die Strategie, wie auch Populisten und Demagogen verfahren.
Nun sind Sie erst einmal weg vom Fenster und das ist gut so. Es gibt da nur ein Problem: Leute wie Sie wird der Boulevard wieder nach oben spülen. Oh ja, Sie werden wiederkommen. Mir bleibt daher nur die Bitte: Tun Sie es nicht. Bleiben Sie auf Ihrem Familienanwesen, pflegen Sie es, führen Sie Ihre Familienchronik weiter fort, beweisen Sie einen Funken Restanstand und bewahren Sie uns künftig vor weiteren Nachweisen Ihrer politischen Qualitäten.
Und bitte nicht gleich weinen. Dies ist nur die Einzelmeinung eines Wählers, eines Ihrer Chefs.
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