„Kampf den Füll- und Flickwörtern“, zu diesem Thema hatte ich Ihnen vor ein paar Monaten ein paar konkrete Beispiele aus meinem Manuskript versprochen, erinnern Sie sich noch? Nicht? Egal. Ich greife das Thema trotzdem nochmal auf.
Viel besser, als die Krux bei der Füll- und Flickwörterei anhand ein paar mühsam zusammengeklaubter Textstellen aus meinem Manuskript deutlich zu machen, eignet sich allerdings eine Begebenheit aus dem wirklichen Leben, deren Zeuge ich kürzlich wurde. Das folgende Gespräch bekam ich zufällig mit, als ich nach einem abendlichen Einkaufsbummel an der Theke eines Bistros in der Innenstadt saß und einen Kaffee schlürfte. Der Wirt führte es mit einem anderen Gast, der zwei Barhocker weiter beim Bier saß. Ich habe keine Ahnung, woran sich die Diskussion der beiden konkret entzündet hatte. Ich wurde erst hellhörig, als das Wort „Flickwörterei“ an mein Ohr drang. Doch lesen Sie selbst …
Gast: »… was passt dir an ›irgendwas‹ nicht?« Wirt: »Das es ein belangloses Flickwort ist. Wörter mit ›irgend‹ sind leere Floskeln. ›Irgendwas‹, ›irgendwie‹, ›irgendwer‹ … Unkonkreter geht’s doch kaum noch. Wörter mit ›irgend‹ setzt man nur ein, wenn einem gerade nichts besseres einfällt.« Gast: »Hm, ist irgendwie schon was dran.« Wirt: »›Schon‹ gehört übrigens auch dazu. Und ›übrigens‹ und besonders ›auch‹ auch. Und ›besonders‹ eigentlich auch. Und ganz besonders ›eigentlich‹.« Gast: »Was ist an ›eigentlich‹ so besonders?« Wirt: »Eigentlich gar nichts.« Gast: »Jetzt hast du es selbst gesagt.« Wirt: »Was gesagt?« Gast: »›Eigentlich‹.« Wirt: »Oh, äh, naja … aus der normalen Umgangssprache ist es ja auch eigentlich nur schwer herauszubekommen. Es geht mehr um Beschreibungen und um die geschriebene Sprache, weißt du? Diese ganzen Hilfs- und Füllwörter sind häufig Krücken, die eingesetzt werden, um Aussagen zu verstärken, abzuschwächen, über etwas zu spekulieren, es aufzublasen, künstlich zu verlängern, oder auch, um eigene Unsicherheiten beim Gesagten zu kaschieren oder weil einem der speziellere Ausdruck fehlt.« Gast: »Sag mal ein Beispiel.« Wirt: »Was würdest du zum Beispiel denken, wenn du in der Zeitung folgende Aussage eines Sprechers des Gesundheitsministeriums liest: ›Wir gehen ja eigentlich davon aus, dass die Gesundheitsreform die Kassenbeiträge natürlich schon irgendwie senken wird.‹« Gast: »Ich würde denken, dass das eine ziemliche Herumeierei ist.« Wirt: »Genau. ›Eigentlich‹ ist ein Wort, dass eher eine schale Behauptung als eine echte Aussage begleitet. Und es unterstreicht, dass dem Sprecher das Behauptete alles andere als klar ist. ›Natürlich‹ oder ›selbstverständlich‹ kann man sich schenken, wenn es tatsächlich selbstverständlich ist. ›Irgendwie‹ besagt, dass der Sprecher entweder nicht weiß, was er sagen will, oder zu faul war, es sich zu überlegen. ›Ja‹ soll eine Art von Familiarität des Gesagten erzeugen und es beiläufig und selbsterklärend klingen lassen, in der Art von ›hab ich ja gleich gesagt‹, wirkt aber eher windig. Und ›schon‹ ist völlig überflüssig, so lange die Aussage, wie bei diesem Beispiel, auch ohne das ›Schon‹ klar ist.« Gast: »Klingt einleuchtend. Ohne das ganze Beiwerk bliebe demnach übrig: ›Wir gehen davon aus, dass die Gesundheitsreform die Kassenbeiträge senken wird.‹« Wirt: »Genau. Ist zwar aus dem Munde eines Politikers immer noch genauso windig, aber wenigstens ohne unnützen sprachlichen Ballast.« Gast: »Wenn ich das richtig verstehe, ersetzt man den Müll also entweder durch speziellere Ausdrücke oder lässt ihn gleich ganz weg, ja?« Wirt: »Genau. Es sei denn, es handelt sich um ein umgangssprachliches Gespräch.« Gast: »Wieso das?« Wirt: »Weil es da der Natürlichkeit der Sprache dient. Wie würde das denn klingen, wenn zwei Typen wie wir plötzlich nur noch in druckreifen Sätzen sprechen würden, ohne dauernd ›jetzt‹, ›mal‹, ›man‹, ›noch‹, ›fast‹ oder ›auch‹ zu sagen?« Gast: »Irgendwie unnatürlich.« Wirt: »Eben. Noch was zu trinken?« Gast: »Ich glaube, ich könnte eigentlich schon noch ein Bier vertragen.« Wirt: »Und jetzt versuch mal, diesen Satz ohne den ganzen Beimüll zu sagen.« Gast: »Welchen Satz?« Wirt: »Deine Bestellung. Ich habe gefragt: ›Noch was zu trinken?‹ Und du sagst …« Gast: »Und ich sage: ›ich glaube‹ … ›eigentlich‹ … ›schon noch‹ … Hm, ein Bier, bitte!« Wirt: »Siehst du, zwar kürzer, aber weniger natürlich und weniger unterhaltsam.« Gast: »Ein Teufelskreis.« Wirt: »Du sagst es. Und was bleibt am Ende? Was ich natürlich irgendwie schon immer gesagt habe: Wenn man will, kann man eine Häufung von Füllwörtern fast immer vermeiden.« Gast: »Eigentlich schon.«
Schreibe einen Kommentar