Textanalysetool von zweifelhafter Qualität: Ich schreibe wie … Joanne K. Rowling?

Ich schreibe wie
Joanne K. Rowling

Das Forschungsprojekt von AnwaltMap – anwälte. Ich schreibe wie…

„Finde heraus, welchem berühmten Schriftsteller dein Schreibstil am meisten ähnelt. Einfach Text einfügen und auf Analysieren klicken, um die Anaylse zu beginnen“. So schalmeit es von der Seite „Ich-schreibe-wie.de“ herunter. Hinter dem Versprechen verbirgt sich ein kleines Onlinetool, auf das ich vor einiger Zeit im Feuilleton der FAZ-Online gestoßen bin. Und wie viele andere, die es seit dem in Blogs und Schriftstellerforen diskutiert, besprochen, beschrieben und nach Selbstversuchen bestaunt, bespöttelt, bejubelt und beleidigt haben, habe ich es natürlich auch selbst ausprobiert. Schließlich möchte ich ja wissen, welcher weltbekannte Schriftsteller meinen Stil kopiert.

Also, ans Werk. Die Anwendung ist tatsächlich so einfach wie beschrieben. Ich kopiere flott die neun Kapitel aus der Leseprobe meiner Harry-Potter-Parodie „Heinrich, du siehst genauso aus wie dein Vater“ in die leere Textbox der Anbieterseite, drücke erwartungsvoll auf „Analysieren“ und warte gespannt … ungefähr eine Zehntelsekunde, das Tool arbeitet wirklich fix … und heraus kommt …Joanne K. Rowling! Ich bin platt. JK Rowling? Okay, ich habe die Harry-Potter-Romane Dutzende mal gelesen und mein Heinrich Töpfer ist ein Parodie auf Harry Potter, aber dass ich ihn im gleichen Stil geschrieben haben soll …? Ich weiß nicht. Nächster Versuch. Ich picke die fünfzig Seiten, die an Halloween spielen, aus meinem Buch heraus und klicke auf Analyse … Ergebnis: Joanne K. Rowling! Jetzt staune ich aber wirklich. Einmal kann Zufall sein, aber zweimal dasselbe Ergebnis? Ich probiere die Schlusskapitel … Joanne K. Rowling! Ich suche nach Erklärungen. Analysiert das Programm den Text aufgrund von Schlüsselworten wie „Magie“ oder „Zauberei“ oder Begriffen, die den Namen bekannter Vorlagen ähneln? Oder ähnelt mein Stil wirklich dem der bekannten Britin?

Ich brauche Vergleichsergebnisse aus anderen Texten und mache einen Versuch mit einem meiner Spannungswerke. Dazu gebe ich Teile aus „Zerfall“, meinem in der Entstehung begriffenen Endzeitthriller in die Box. Jeweils ca. 50 Seiten vom Anfang, aus der Mitte und dem aktuellen Schlussstand. Ergebnis: Dreimal Joanne K. Rowling!

Allmählich wird mir das Ganze suspekt. Ich fülle den Analysator mit ein paar Seiten aus einer Leseprobe von Charlotte Roches „Feuchtgebieten“. Erraten Sie es? Richtig: Joanne K. Rowling. Erst als ich die Textbox mit meinem Artikel über das politische Versagen des Freiherrn Karl Theodor zu Guttenberg und danach mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland füttere, gelingt es mir, ein anderes Ergebnis zu erzwingen. Demnach ist mein politischer Artikel geschrieben wie von Stieg Larsson(!!) und unsere Verfassung im Stil von Otto von Bismarck(!!!), während dieser Artikel, den Sie jetzt gerade lesen, und eine Leseprobe aus Karl Mays „Der Schatz im Silbersee“ schon wieder das Ergebnis Joanne K. Rowling(?!!) ausgeben.

Also, liebe Programmierer von „Ich-schreibe-wie“, was soll das Ganze? Joanne K. Rowling in allen Ehren, aber eine breitere Textbasis als Harry Potter, und dazu ein bisschen mehr Differenzierung bei der Entwicklung eurer Algorythmen hättet ihr dem Tool ruhig angedeihen lassen können. Oder wurde „ich-schreibe-wie.de“ zu häufig von Harry-Potter-Fans mit den echten Potter-Texten gefüttert, um einen Rowling-Treffer zu provozieren, mit dem sich die Fans auf ihren Websites schmücken können? Ich hab keine Ahnung, wie euer Programm so arbeitet, die Hinweise auf eurer Website sind bestenfalls vage, ich weiß auch nicht, wie ernst ihr selbst eure Arbeit genommen haben wollt, aber bei solchen Ergebnissen wird’s echt lachhaft.

Tja, liebe Leser, so weit, so unzulänglich. Mein Selbstversuch war jedenfalls wenig hilfreich. Vielleicht habt ihr ja mehr Glück. Also, einfach ausprobieren und sich freuen, wenn der eigene Stil nicht als der von Rosamunde Pilcher identifiziert wird. Und ansonsten vergesst den Fall einfach und fühlt euch, als hättet ihr gerade einen Artikel von Joanne K. Rowling gelesen.

Es grüßt

Das Schreiberlein


Kommentare

4 Antworten zu „Textanalysetool von zweifelhafter Qualität: Ich schreibe wie … Joanne K. Rowling?“

  1. Hallo,
    lustiger Blog-Eintrag 😉 … wenn Sie ein ernsthaftes Tool ausprobieren möchten, dann testen Sie doch mal mein Textanalysetool:

    http://homepageentwickler.de/textanalyse-tool.php

    Ich würde mich über ein Feedback sehr freuen.

    PS: Das Tool ist ein Bestandteil meiner Checkliste:
    http://homepageentwickler.de/texte-verbessern.php

  2. Avatar von Schreiberlein
    Schreiberlein

    @André Subbert
    Danke für den Tipp. Werde ich mir mal anschauen.

  3. Avatar von Arthur Pahl
    Arthur Pahl

    Tja… selbst wenn es Euch jetzt vom Stuhl haut, auch ich habe irgendetwas von Joanne K. Rowling in der Tinte meiner Feder aufgesogen, denn, aus meinen 3 publizierten Büchern und der Erzählung, an der ich gerade arbeite, sind absolut ALLE Leseproben die ich ausprobiert habe, als die Schreibweise der verehrten Frau Kollegin klar erkannt worden. Eigentlich brauche ich mir über die Veröffentlichung meines nächsten Buches keine Sorgen mehr zu machen, denn, die Verlage werden mich jetzt umgarnen, weil ich ein „deutscher J.K. Rowling“ bin, den sie nur noch zu vermarkten brauchen. Was wäre einfacher als dass? Schließlich werden auf der ganzen Welt Millionen mit „Bullshit“ verdient. Ich kann es kaum von diesem Kuchen ein Stück für mich zu ergattern.
    Guten Appetit.

  4. […] tapfere Schreiberlein hat ein Textanalysetool ausprobiert und dessen eher zweifelhaften Nutzen (bei gleichzeitig hohem Unterhaltungswert) […]

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